Kleine Chronik von Lengenfeld unterm Stein

- 2 -

Infolge der Religionswirren brach im Jahre 1618 der Dreißigjährige Krieg aus. Die materiellen Verluste unseres Dorfes durch diesen Krieg waren ungeheuer. Nach dem Bericht des damaligen Pfarrers Volkmar Hahn vom 15. Mai 1656 (Akten der Pfarrei) waren von den 1584 bestehenden 100 Herdstätten nach 1648 nur noch 24 vorhanden, die anderen verfallen, 1639 meistens verbrannt. Am schwersten lasteten auf unseren Vorfahren die unmenschlichen Kriegskontributionen, da sie in jeder Hinsicht bitterste Not litten.

Daher waren auch Einwohner von Lengenfeld glücklich und weinten vor Freude, als am 24. Oktober 1648 der Friede in Münster und Osnabrück geschlossen war.

Trotz der schweren Zeit gingen unsere Vorfahren sofort an den Wiederaufbau. Bereits im Jahre 1680 hatte Lengenfeld schon wieder 86 Herdstätten mit 478 Einwohnern.

Um 1700 ging es wirtschaftlich weiter voran. Valentin Degenhardt aus Frieda, der als Soldat 1670 in Flandern die Wollmanufaktur kennen gelernt hatte, ließ sich 1680 in Großbartloff nieder und stellte hier den ersten Webstuhl auf. Nun begann der Siegeslauf der Wollweberei über das ganze Eichsfeld. Aus dem ganzen Lande drängten sich junge Leute herzu, um die Wollweberei zu erlernen. So fanden auch die geringen Leute in unserem Dorf Arbeit und Brot. Um 1740 stand fast in jedem Haus ein Webstuhl.

Erinnern möchte ich an dieser Stelle noch an die "Letzte Eichsfeldische Pestwelle", die sich im Jahre 1682 von Mühlhausen aus über das ganze Amt Bischofstein ausbreitete. Nach Wolf fielen ihr 1742 Menschen zum Opfer. An diese Seuche erinnern noch heute in unserer Gemeinde die Flurnamen "Kleiner" und "Großer Siechenrasen" und der Name eines Hauses im Oberland "Wietstein" (Weitstein).

Von der letzten Pestwelle und dem "Wietstein"

Nachdem die letzte "Eichsfeldische Pestwelle" auch unser Dorf erreicht hatte, blieb kaum ein Haus von der schwarzen Pest verschont. Von der Hagemühle aus über Kaufholds im Unterland war sie bereits bis an die Schafhofsgasse im Oberland gedrungen. Da erklang eine Stimme von oben herab:

"Kocht und trinket Pimpernell,
dann sterbt ihr nicht so schnell!"

Man versuchte die Pimpinella, und die Heilkraft bewährte sich. Die Pest schritt nicht weiter, und zum Andenken errichtete man vor dem zuerst verschonten Hause am Eingange zur Feldgasse (im Volksmund heute: "Berliner Gasse") einen Stein mit einem Kreuz und der Jahreszahl 1682, den man Wietstein nannte, weil die Pest "so weit, plattdeutsch "sö wiet", gekommen war. Die Bewohner jenes Hauses heißen deshalb noch heute "Wietsteins", und am Feste der Kirchenpatronin "Mariä Geburt" ging früher die Prozession bis zu diesem Hause.

1711 zählt die Gemeinderechnung bereits 111 Herdstätten auf, wovon 19 Höfe waren, die mehr als eine Hufe (30 Morgen) bewirtschafteten. Die meisten Leute sind zwar Hausbesitzer, jedoch ohne oder mit nur wenig Rodeland. Dieser Umstand lässt erkennen, dass die meisten Einwohner schon 1711 Arbeiter waren. Soweit dieselben nicht in der Land- oder Forstwirtschaft beschäftigt wurden, waren es Wollweber, Rasch- und Etaminmacher, Wollkrämer und Spinner.

An diesen Landarbeitern, landarmen, kinderreichen Weberfamilien konnte sich ein Wirtschaftsrückgang, verbunden mit Missernten, durch solch ein Massensterben auswirken, wie es sich in den Hungerjahren 1771 und 1772 ereignete. So finden wir in den Kirchenbüchern, dass in diesen zwei Jahren von 819 Einwohnern 158 Personen an Hunger gestorben sind.