Kleine Chronik von Lengenfeld unterm Stein
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Wenn auch im ersten Weltkrieg schon große Opfer an Gefallenen gebracht werden mussten - 68 gefallene Soldaten -, so waren demgegenüber die Verluste mit 96 Gefallenen ausschließlich der Vermissten im Zweiten Weltkrieg weit größer.
Am 4. April 1945 zogen die ersten Amerikaner in Lengenfeld u. Stein ein. Da in unserem Ort keinerlei Kampfhandlungen stattfanden, erlitt Lengenfeld somit keinen weiteren materiellen Schaden. Durch den Vertrag von Jalta wurde mit Beendigung des Zweiten Weltkrieges Deutschland in vier Besatzungszonen eingeteilt. Infolgedessen bildete die eichsfeldisch-hessische Grenze gleichzeitig die Zonengrenze zwischen den amerikanischen und sowjetischen Besatzungstruppen. Infolgedessen rückten am 1. Juli 1945 die amerikanischen Truppen in Richtung Eschwege ab, und die sowjetischen Truppen besetzten am 5. Juli 1945 die Zonengrenze.
Lengenfeld u./Stein am Ende
des II. Weltkrieges
Das Bild von den Zuständen in Lengenfeld u./Stein während der letzten
Wochen des Hitlerregimes und kurz danach wird wesentlich kaum anders ausgesehen
haben als sonst wo auf dem Eichsfelde. Auf allen Gebieten der Wirtschaft war
das Letzte für Hitlers Kriegsmaschine herausgepresst worden Die Landwirtschaft
die Industrie, der Handel, der Verkehr, das Handwerk, die Verwaltung und die
menschliche Arbeitskraft hatten die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit nicht
nur erreicht, sondern vielfach längst überschritten Die Felder warteten
auf ihre Bestellung. Für die Zugmaschinen fehlte der Treibstoff; künstlicher
Dünger kam nicht heran. Amerikanische Flieger störten empfindlich
den Verkehr. Die dringendst benötigten Waren blieben aus. Es herrschte
empfindlicher Mangel an allem, nur nicht an Geld, für das keine Waren zu
bekommen waren.
Die Gemeindewirtschaft mit 30 Bauernhöfen, 40 Geschäften, 6 Gaststätten, 3 Zigarrenfabriken, 1 Sägewerk, 30 Handwerksbetrieben, insgesamt 420 Haushaltungen mit 1750 Einwohnern und 249 Evakuierten - 1999 Gesamteinwohnern trieb einer katastrophalen Isolierung zu.
Für alle Zukunft wird sich die Gemeinde Lengenfeld u./Stein an die Ereignisse der letzten Tage des II. Weltkriegen erinnern. Am 16. März 1945, dem Zeitpunkt, am dem eine V-Waffen-Abteilung auf dem Bahnhof in Lengenfeld u. Stein ausgeladen wurde, war der Donner der Geschütze an der Westfront bereits deutlich zu hören. Amerikanische Bombengeschwader überflogen im Geleitschutz der "Jabos" in täglichem Einsatz unsere Heimat in Richtung Osten. Am 27. März 1945 trafen 400 Kriegsgefangene englische Offiziere aus dem Kriegsgefangenenlager Spangenberg unter deutscher Bewachung in Lengenfeld u./Stein ein, um Rast zu machen. Da sie mit den Amerikanern laufend in Funkverbindung standen, waren sie über den Verlauf der Kriegshandlung bestens unterrichtet. So gab auch die deutsche Bewachung den Plan auf, mit den Gefangenen weiter nach Osten zu marschieren Da die Gemeindeschenke ihre Unterkunft war, bemalten sie das Dach derselben und auch den Sportplatz mit Großen Kalkbuchstaben "POW" , um sich so den amerikanischen Fliegern kenntlich zu machen. Am 2. April 1945 hatten die amerikanischen Kampftruppen die Linie Eisenach - Eschwege überschritten und waren im beständigen Vormarsch nach Osten. Versprengte deutsche Truppen flüchteten durch Lengenfeld in Richtung Osten. Ebenso rückte vom 2. zum 3. April die seit dem 16. März in Lengenfeld stationierte V-Waffen-Abteilung in Richtung Effelder ab. Die vorbereitete Sprengung der großen Eisenbahnbrücke - dem Wahrzeichen Lengenfelds - wurde durch den Bürgermeister Franz Müller und einem Hauptmann der Bewachungsmannschaft zum großen Glück für unser Dorf verhindert. Am 2. April 1945 fuhr um 12.15 Uhr der letzte Zug mit 34 Wagen und zwei Lokomotiven, der bis zu diesem Zeitpunkt im Schwebdaer Tunnel (Frieda-Tunnel 1 040 m) gestanden hatte, durch unseren Bahnhof. Die Fahrt ging nun langsam vorwärts, da die amerikanischen Jagdbomber ständig über unserer Heimat kreisten.
Am 4. April 1945 gegen 12.30 Uhr begaben sich drei von den kriegsgefangenen englischen Offizieren mit einer weißen Flagge zur Plesse südwestlich des nahen Hildebrandshausens, wo ein Gefecht der Amerikaner mit deutschen Nachhutstreifen im Gange war. Um 16.40 Uhr kamen sie mit den ersten Amerikanern von Hildebrandshausen Über die Heide, die Bahnhofstraße herab, Gefolgt von motorisierter Infanterie. Mit dem Glockenschlag 16.45 Uhr übergab der Bürgermeister Franz Müller unser Dorf den Siegern. Die Freude der englischen Offiziere war unbeschreiblich. Sie vertauschten ihre Rolle mit der deutschen Bewachung. Alles vollzog sich fast friedensmäßig.
Nur rings um Lengenfeld in den Wäldern ging der Krieg weiter und verdichtete sich bei Struth zu einer größeren Kampfhandlung. Die Rauchsäulen des brennenden Nachbardorfes, die wie aus einen Vulkan über dem Kälberberg empor zum Himmel quollen, waren das Ergebnis eines sinnlosen Widerstandes der deutschen Truppen Am 13. April 1945 verließen die letzten Kampftruppen unser Dorf. Ein kleines Besatzungskontingent blieb zurück. Alles wirtschaftliche Leben zu diesem Zeitpunkt stand still. Die Ausgehzeit wurde stark eingeschränkt - 6.00 bis 20.00 Uhr. Niemand durfte sein Feld betreten oder ins Nachbardorf gehen. Die Eisenbahn fuhr gar nicht, da die Eisenbahnbrücken bei Frieda und Küllstedt gesprengt worden waren. Es kam nichts ins Dorf hinein, aber auch nichts hinaus, keine Lebensmittel und auch keine anderen Waren. Jeder Haushalt wurde "autark". Zwei Tage nach Beendigung des Krieges trafen am 10. Mai 1945 (Christi Himmelfahrt) die amerikanischen Besatzungstruppen hier ein. Für diese Einheit mussten, zehn Häuser der oberen Bahnhofstraße - Lorenz Wehenkel, Martin Fischer, Heinrich Hartmann, Katharina Stude, Josef Weidemann, Schwehr-Käser, Hotel zum Bahnhof (Wilhelm Rautz), Bahnhof (Bahnhofsvorsteher August Günther), Josef Lorenz und Nikolaus Fischer am Heidenweg - von der Bevölkerung geräumt werden. Die Ausgehbeschränkungen wurden gelockert (von 6.00 bis 21.00 Uhr). Der Bauer durfte aufs Feld gehen, und der Geschäftsmann konnte wenigstens das Nachbardorf besuchen. Durch den Vertrag von Jalta wurde mit Beendigung des Krieges Deutschland in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Infolgedessen bildete die eichsfeldisch-hessische Grenze gleichzeitig die Zonengrenze zwischen den amerikanischen und sowjetischen Besatzungstruppen. So rückten am Sonntag, dem 1. Juli 1945 gegen 12.30 Uhr die amerikanischen Besatzungstruppen ab. Am Donnerstag, dem 5. Juli 1945 gegen 7.30 Uhr zogen sowjetische Truppen von Hildebrandshausen kommend durch unser Dorf und besetzten die Zonengrenze.